Der neue DNA-Test für SD2 beim Labrador Retriever
SD2 - skeletal dysplasia 2 - eine milde Form des disproportionierten Zwergwuchses
Molekulargenetik unter züchterischem Aspekt
Geschichte der Rasse Labrador Retriever und Entwicklung der Zucht
Die meisten der ca. 400 vom VDH anerkannten Hunderassen sind relativ jung, so auch der Labrador Retriever, der 1903 als eigenständige Rasse vom englischen Kennel Club anerkannt wurde.
Hervorgegangen ist sie aus Hunden, die um 1800 aus Neufundland importiert wurden. Die wichtigsten Züchter damals waren der Duke of Buccleuch, Lord Malmesbury, Lord Home und Lord John Scott. Der erste Eintrag im Zuchtbuch des Duke of Buccleuch erfolgte im Jahr 1882 mit Buccleuch Ned (nach Lord Malmesbury’s Sweep (1977), aus Lord Malmesbury’s Juno (1878). 1885 und 1868 folgen Buccleuch Avon (nach Lord Malmesbury’s Tramp, aus Lord Malmesbury’s Juno) und Buccleuch Nell (nach Lord Wimborne's dog 1882 und ebenfalls aus Lord Malmesbury’s Juno). Fast alle unsere heutigen Labrador Retriever lassen sich auf diese Ursprungstiere zurückführen. Buccleuch Avon gilt als Stammvater der Labradors. Die Züchter versuchten die Rasse „rein“ zu halten. So wurde schon damals relativ eng gezüchtet. Buccleuch Sailor (1892) z. B. ist unter Ahnenverlust liniengezüchtet auf Sir Frederick Graham‘s Netherby Kielder (1872). Seine 4-Generationen-Ahnentafel enthält anstelle der 30 möglichen nur noch 26 verschiedene Ahnen. Verpaarungen von Bruder und Schwester waren nicht ungewöhnlich, aber auch das Einkreuzen anderer Rassen war lange Zeit möglich. Besonders beliebt war das Kreuzen von Labradors mit anderen Retrievervarietäten. Während oder nach dem 2. Weltkrieg wurden vermutlich aber auch Rassen anderer Gruppen eingekreuzt (Rottweiler, Border Collie) bis die Zuchtbücher geschlossen wurden und eine Auffrischung des Genpools nicht mehr möglich war.
Der Labrador wurde und wird z. T immer noch als robuste, wenig anfällige Rasse beschrieben. Heute werden aber neben den schon länger bekannten Krankheiten immer neue Probleme bekannt, wie zum Beispiel ED (Ellenbogendysplasie), CNM (Centronukleäre Myopathie), EIC (Exercise Induced Collapse) und HNPK (hereditäre nasale Parakeratose). Zum Teil mag es an der verbesserten Diagnostik liegen. Es ist aber auch zu vermuten, dass durch In- und Linienzucht und dem damit verbundenen Anstieg der Homozygotie vermehrt rezessive Krankheiten, die jahrzehntelang im Verborgenen geschlummert haben, relativ plötzlich offenbar werden. Genau das scheint auch bei der o. a. Form des Zwergwuchses des Labrador Retrievers der Fall zu sein.
Formen des Zwergwuchses
In der Literatur werden verschiedene Formen von Zwergwuchs bei diversen Rassen beschrieben.
Beim Labrador bekannt ist RD/OSD (Retinadysplasie/Okuloskeletale Dysplasie). Während einzelne Netzhautfalten (fokale, multifokale Form der Retinadysplasie) als harmlos betrachtet werden können, hat die sogenannte geographische Form der Retinadysplasie mit völliger Ablösung der Netzhaut Blindheit zur Folge und kann manchmal mit schwerer Skelettmissbildung vergesellschaftet sein und zu Zwergwuchs führen. Diese Mutation kommt selten vor. RD/OSD wird autosomal rezessiv vererbt. Ein DNA-Test steht seit einigen Jahren zur Verfügung.
Ebenso wird CD (Chondrodysplasie) beim Labrador beschrieben. Bei chondrodysplastischen Rassen wie Teckel und Basset sind die kurzen krummen Beine ein charakteristisches Merkmal. Diese Form des Zwergwuchses geht mit einem sogenannten „radius curvus“ einher. Ein vorzeitiger Wachstumsstillstand der Elle bei noch weiter wachsendem Radius führt beim Junghund zu einer Verkrümmung der Vordergliedmaßen mit auswärts gestellten Pfoten. Häufig resultieren daraus sekundären Gelenkprobleme, besonders im Ellenbogen. Ein „radius curvus“ kann röntgenologisch diagnostiziert werden. Die Analyse der Ahnentafeln von Labradors mit CD macht einen rezessiven Erbgang zumindest wahrscheinlich.
Eine kurze Beschreibung von SD2 findet sich auf der Homepage des Institutes für Genetik der Universität Bern.
„Skeletale Dysplasien sind vererbte Anomalien des Knorpel- und Knochenwachstums, die zu 'Disproportioniertem Zwergwuchs' führen und bei verschiedenen normalwüchsigen Rassen vorkommen. Es kommt zu einem frühzeitigen Stillstand des Knochenwachstums der langen Röhrenknochen, vor allem in der Vorhand. Die Rumpflänge und –tiefe sind nicht beeinträchtigt. Die ausgewachsenen Hunde sind in der Hinterhand überbaut und stehen auf zu kurzen Läufen. Betroffene Labrador Retriever haben in der Regel nur etwas kürzere Beine, aber nach bisherigem Kenntnisstand keine gesundheitlichen Probleme wie z.B. sekundäre Gelenkserkrankungen. Die SD2 wird durch eine andere Mutation verursacht als die ebenfalls beim Labrador Retriever auftretende Retinadysplasie/Okuloskeletale Dysplasie (RD/OSD), welche zu schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt.“
Quelle: http://www.genetics.unibe.ch/content/forschung/labrador_zwergwuchs/index_ger.html
Kleine Labradors
Zwar wusste man schon lange, dass es gelegentlich kurzbeinige Labradors gibt, aber man machte sich doch keine großen Gedanken um diese kleinen Labradors. Wird doch schon Turk, der letzte 1871 von Neufundland nach Hyde importierte Labrador von Major Radcliffe als kurz in den Beinen mit breitem Kopf und breiter Brust beschrieben. Für Buccleuch Ned wird eine Größe von 19 Inch also 48,26 cm, für Avon eine von ca. 20 Inch (50,8 cm) angegeben. Diese beiden für die Zucht so wichtigen Ursprungstiere waren also kleiner als das im heutigen Standard gewünscht wird (Idealmaße für Labradors: Rüden 56-57 cm; Hündinnen 54-56 cm).
Eine Rasse so einheitlich zu züchten, dass sämtliche Vertreter in der Größe um nur 3 cm variieren ist kaum möglich. Eine Selektion auf quantitative, polygenetische und umweltvariable Merkmale ist immer schwierig. Größe ist aber ein komplexes, quantitatives Merkmal, das durch eine Vielzahl von Genen und auch Umweltfaktoren beeinflusst wird und daher variabel ist. Labradors von nur 50 cm kommen häufiger vor, ebenso gibt es welche mit 60 cm Schulterhöhe oder mehr. In den Proportionen müssen sie deshalb nicht zwingend gestört sein. Unterschiede von 10 cm in der Schulterhöhe sind bei Labradors, wie bei anderen größeren Rassen auch, als normal anzusehen. Die gewünschten Proportionen eines Labradors sollen in etwa so beschaffen sein, dass bei einer geraden Rückenlinie die Länge des Körpers seiner Schulterhöhe entspricht oder etwas darüber liegt; die Brusttiefe soll ungefähr der Länge der Vorderbeine entsprechen.
Nachdem sich Arbeits- und Ausstellungstyp in den letzten 50 Jahren zum Teil nachteilig verändert haben, stimmen auch diese Proportionen nicht mehr unbedingt bei allen Tieren. Die Brust beim Schaulabrador scheint immer tiefer zu werden, so dass sie über den Ellenbogen reicht und die Beine zumindest optisch verkürzt erscheinen lässt, während die Arbeitslabradors häufig auf „recht hohen“ Läufen stehen, manchmal noch betont durch mangelnde Brusttiefe.
Die Schulterhöhe eines Hundes ist leider nicht immer ganz so einfach zu messen wie vergleichsweise die Widerristhöhe eines Pferdes, und die Ergebnisse aus verschiedenen Messungen sind nicht jederzeit reproduzierbar. Einmal spielt es eine Rolle, ob der Hund überhaupt auf einem ebenen Untergrund steht. Dann wirkt sich auch die psychische Verfassung auf das Messen aus, denn ein unsicherer Hund knickt in den Gelenken etwas ein. Ein Senken des Kopfes macht den Hund kleiner, ein Anheben größer. So kann ein Einmessen schnell auch zu einem „Vermessen“ werden.
Mir war nicht einmal klar, ob diese gelegentlich beobachteten Kleinen nur zufällig besonders klein geraten waren oder ob dieser Kleinwuchs durch eine Mutation bedingt war, die wir züchterisch beeinflussen könnten.
Ich persönlich sah den ersten auf deutlich zu kurzen Läufen stehenden Labrador 2007 als Richterin bei einer Formwertbeurteilung und 2009 einen zweiten aus anderen Linien. Beide Hündinnen wurden von mir mit 46 cm eingemessen und konnten wegen der Untergröße nicht zur Zucht zugelassen werden, obwohl es sich in beiden Fällen um sehr schöne substanzvolle Exemplare handelte.
Als dann 2009 ein kurzläufiger Labrador aus einer von uns gezüchteten Hündin zur Welt kam, wurde mir Kleinwuchs beim Labrador erstmals als ein „kleines“ Problem unserer Rasse wirklich bewusst. Im Wurf fiel dieser Hund nur durch eine besonders kräftige Statur auf. Dass er deutlich kleiner als seine Wurfgeschwister blieb, stellte sich erst im Laufe der nächsten Monate heraus. Der Hund war HD und ED-frei; seine Vorderläufe ziemlich gerade. Beide Elternteile waren RD/OSD getestet, somit kam diese Form der Skelettdeformierung als Ursache nicht in Frage.
Das Forschungsprojekt an der Universität Bern
Da ich von dem Forschungsprojekt über Zwergwuchs beim Hovawart an der Universität Bern unter der Leitung von Professor Tosso Leeb wusste, sah ich eine Chance, etwas für unsere Rasse tun zu können und bat ihn im November 2010, den Labrador in seine Forschung einzubeziehen. Er stimmte sofort zu.
Es schienen verschiedene Ausprägungsformen von Kleinwuchs beim Labrador vorzukommen. Es gab und gibt kleine, recht gut proportionierte Hunde, aber auch solche, die eindeutig zu kurze Vorderläufe haben. Sie sind nicht unbedingt stark überbaut oder haben eine ausgesprochene Fehlstellung der Vordergliedmaßen. Eine mehr oder weniger ausgeprägte Fehlstellung der Vordergliedmaßen mit Auswärtsstellung der Pfoten sieht man nach meinen Beobachtungen während des Wachstums der kleinen Labradors; im ausgewachsenen Zustand ist diese oft nur noch andeutungsweise zu sehen.
Diese unterschiedlichen Ausprägungen machten es erst einmal wahrscheinlich, dass auch unterschiedliche Ursachen für die Wachstumsstörungen in Frage kommen. Das hätte die Entwicklung eines DNA-Testes deutlich erschwert. Ein Gentest für ein monogen autosomal rezessives Geschehen dagegen kann heute relativ rasch entwickelt werden. Jeweils 10 Proben von Betroffenen und Nicht-Betroffenen reichen mit sehr großer Sicherheit aus, um die ursächliche Mutation im Genom zu finden. Betroffene Hunde müssten dann aus einer Träger mal Träger Anpaarung stammen und rein theoretisch gesehen müssten 25 % der Welpen eines solchen Wurfes betroffen sein. Tatsächlich konnte ich einen Wurf ausfindig machen, in dem drei kleine Labradors aufgetreten waren; zwei Hündinnen waren 46 bzw. 49,5 und ein Rüde ca.45 cm hoch. Das machte einen monogen rezessiven Erbgang wiederum sehr wahrscheinlich.
Hoffnungsvoll begann ich also, gezielt nach Besitzern zu kleiner Labradors Ausschau zu halten. Mein Anliegen stieß in fast allen Fällen auf Verständnis und bereits bis zum April 2010 standen Blutproben von sechs Kleinen und acht Normalwüchsigen aus drei Familien zur Verfügung. Schon im August gab es gute Nachrichten, die dafür sprachen, dass das ursächliche Gen lokalisiert werden konnte. Ab September 2010 begann dann Mirjam Frischknecht, eine Biologiestudentin, mit ihrer Masterarbeit zu diesem Thema. Mittlerweile erhielt ich von verschiedenen Seiten Hinweise auf weitere kleine Labradors. In unserem Urlaub in Finnland wurde ich von finnischen Züchtern angesprochen, die großes Interesse an dem Projekt hatten und Proben schicken wollten. Auch aus anderen Ländern erreichten mich entsprechende Nachrichten. Es war sicher: Kleine Labradors gab es europaweit.
Die Forschung machte dank der gezielt abgenommenen Blutproben rasche Fortschritte und schon bald gab es einen Markertest, auf dessen Ergebnisse, wie immer in solchen Fällen, noch nicht 100%ig Verlass war. Mitte 2012 kam die Nachricht, dass der ursächliche Defekt für den Zwergwuchs gefunden war. Ein direkter Gentest mit nahezu 100%iger Sicherheit wurde entwickelt. Die wissenschaftliche Veröffentlichung dazu ist mittlerweile bei der Fachzeitschrift PLOS One eingereicht. Der Gentest wurde nicht patentiert, so dass er bereits seit Oktober 2012 von herkömmlichen kommerziellen Labors angeboten wird.
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Es wurde eine monogen autosomal rezessiv vererbte Form von disproportioniertem Zwergwuchs - „skeletale Dysplasie 2 (SD2)“ - aufgeklärt und ein direkter Gentest entwickelt. Nur diese durch das „SD2-Gen“ verursachte Form des Zwergwuchses kann durch den Test erfasst werden. Skelettmissbildungen, die durch andere Mutationen verursacht werden, können durch den Test nicht nachgewiesen werden. Die SD2-Mutation führt zu einem vergleichsweise milden disproportionierten Zwergwuchs. Von SD2 betroffene Hunde haben kürzere Beine (vor allem vorne) als normale Hunde. SD2 Hunde sind nicht alle gleich klein, es gibt eine gewisse Variation in der Schulterhöhe, aber das spiegelt nur die normale Variation der Größe in der Labrador-Population wider. Die SD2-freien Hunde variieren ja ebenfalls stark in der Größe. Daher sind nicht alle von SD2 betroffenen Hunde (Genotyp Zwerg) phänotypisch immer sicher als „Zwerg“ mit verkürzten Beinen aber normaler Körperlänge und –größe zu identifizieren. Auch ihre Größen sind variabel. Andere Anlagen, die bei der Ausbildung der Körpergröße mitwirken, können die Wirkung der Mutation kompensieren. Diese Hunde sind im Phänotyp meistens, aber nicht immer, von normalen Hunden zu unterscheiden. Einige wurden/werden in verschiedenen Ländern zur Zucht eingesetzt, zum Teil wegen ihrer hervorragenden Arbeitsanlagen, aber auch, weil sie in aller Regel besonders substanzvoll sind und daher auf Ausstellungen z.T. sehr gute oder sogar vorzügliche Bewertungen erhalten. SD2 ist nicht mit anderen Krankheiten vergesellschaftet, wie das zum Beispiel beim hypophysären Zwergwuchs des Schäferhundes der Fall ist. Auch die röntgenologischen Unterschiede zwischen einem „normalen“ Hund und einem genetisch nachgewiesenen „Zwerg“ sind im Gegensatz zur CD nur marginal.
Menschen, die eine Mutation im gleichen Gen wie die zwergwüchsigen Labradors haben, sind sehr oft schwerhörig und sehen manchmal auch noch schlecht. Das scheint nach bisherigem Wissensstand beim Labrador nicht der Fall zu sein. Viele der genetischen Zwerge werden als Jagdhund eingesetzt oder arbeiten erfolgreich im Dummybereich. Dafür müssen die Hunde sowohl die Schüsse hören können als auch das Wild/Dummy fallen sehen. Alle genotypischen „Zwerge“, die mir persönlich bekannt sind, können arbeiten. Sie können hören, sehen, schnell laufen und springen und sind beschwerdefrei. Das Merkmal hat für die Hunde nach bisherigem Kenntnisstand also keinen Krankheitswert, die Hunde haben keine Schmerzen und leiden nicht.
Sicher nachgewiesen ist diese Form bisher in reinen Arbeitslinien und Kreuzungen aus Schau –und Arbeitslinie. Ausnahmslos alle Betroffenen und alle Träger gehen bisher auf einen 1966 geborenen Rüden zurück. Mir liegen aber auch Berichte und Fotos von Hunden aus reinen Schaulinien vor, die ebenfalls ausgesprochen klein sein sollen. Mindestens ein Träger aus reinen Schaulinien wurde mittlerweile identifiziert. Um abzuklären, ob dieses Gen ebenfalls bei Hunden aus reinen Schaulinien häufiger vorkommt, werden Blutproben von solchen Verdachtsfällen mit Größenangabe und einem Foto auch weiterhin gern von der Universität Bern zu Forschungszwecken angenommen.
Konsequenzen für die Zucht
Es scheint sich also tatsächlich um ein im wahrsten Sinne des Wortes „kleines“ Problem unserer Rasse zu handeln. Warum also der Gentest? Man muss schließlich nicht jeden Gentest, der neu auf den Markt kommt, auch gleich mit jedem seiner Hunde machen, im Besonderen dann nicht, wenn ein neuer Test u. U. nicht einmal auch für diese Rasse validiert ist und die Krankheit/das Merkmal für diese Rasse vielleicht gar kein Problem darstellt.
Für die Anwendung des SD2-Testes geht meine persönliche Empfehlung aber unbedingt dahin, nur noch Paarungen vorzunehmen, bei denen einer der Partner auf freiwilliger Basis als nicht betroffen getestet wurde. Meiner Meinung nach sind wir Züchter das den Käufern unserer Hunde schuldig.
Ich habe großen Respekt vor Menschen, die ihren Hund so annehmen wie er ist und ihn nicht aufgrund eines Gentestergebnisses an den Züchter zurückgeben. Dennoch darf ein Käufer eines Labradors zu Recht erwarten, dass sein Hund im ausgewachsenen Zustand über 50 cm groß sein wird. Leider gibt es neben den lediglich etwas kleinen, im Phänotyp kaum oder auch gar nicht auffälligen Zwergen auch solche, die man aufgrund ihrer Größe sofort als Zwerg ansprechen kann und die deswegen in Ländern mit restriktiven Zuchtbestimmungen nicht zur Zucht zugelassen werden. Auch wenn wir weitaus größere Probleme in unserer Rasse haben, so ist es für den zukünftigen Besitzer eines Labradors doch angenehmer zu wissen, dass sein Hund eine für diese Rasse normale Größe erreichen wird und er nicht ängstlich immer seinen Hund mit den Wurfgeschwistern vergleichen muss. Nicht jeder Besitzer eines extrem kleinen Hundes kann mit der Tatsache eines von SD2 betroffenen Hundes ganz ohne Problem leben.
Wenn wir Züchter also auf eine so einfache Weise, dieses „kleine“ Problem verhindern können, haben wir dazu auch die moralische Verpflichtung.
Bisher liegen noch keine Zahlen vor, wie hoch der Prozentsatz der Betroffenen und der Trägertiere ist. Selbst wenn der Prozentsatz sehr niedrig liegen sollte, wäre es in meinen Augen ein großer Fehler, der Einfachheit halber die Trägertiere nicht mehr zur Zucht zu verwenden, um dieses Gen radikal und schnellstmöglich auszumerzen. Zu groß ist die Gefahr, dass ohne Not damit auch wertvolle Eigenschaften unserer Rasse verloren gehen. Im Übereifer das Kind mit dem Bade auszuschütten kann sich unsere Rasse mit riesigen Eintragungszahlen aber kleinem Genpool nicht leisten. Ist es doch sowohl in den Arbeits- als auch in den Schaulinien schwierig, Paarungen ohne einen gewissen Inzuchtgrad oder ohne jeden Ahnenverlust zu finden.
Mit einem Gentest für ein rezessives Merkmal aber können ohne jedes Risiko Träger züchterisch eingesetzt werden ohne den Genpool zu gefährden. Für eine Generation halte ich es sogar für sinnvoll Betroffene weiterhin zur Zucht einzusetzen, wenn sie züchterisch in anderer Hinsicht wertvoll sind und die Hürde der Formwertbeurteilung genommen haben. Ob es für eine Generation ein paar Träger mehr gibt, schadet der Rasse überhaupt nicht, kann ihr aber unter Umständen nützen, wenn diese betroffenen Tiere andere gute Eigenschaften haben. So dürfen im LCD auch von PRA betroffene Hunde für die Zucht eingesetzt werden, solange sie noch klinisch gesund sind
In der Regel sind bei einem rezessiven Merkmal relativ viele Träger in einer Population vorhanden. Wenn wir nicht radikal selektieren, aber nur noch risikofreie Paarungen im Hinblick auf dieses Merkmal vornehmen wollen, ist ein Gentest von unschätzbarem Wert. Sobald ein direkter Gentest vorliegt, gehören diese Daten zum Tier und sollen auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Jeder kann auch privat Listen mit Betroffenen, Trägern und Freien führen und diese anderen auf Wunsch zur Verfügung stellen. Das habe auch ich früher z.B. für PRA mit enormem Zeitaufwand getan, als der Optigen PRA-Test noch nicht zur Verfügung stand. Trotz einer großen europaweiten Sammlung habe ich dennoch einmal aus Unkenntnis eine Paarung mit einem PRA-Träger vorgenommen. Bei allen herkömmlichen Methoden bleiben Anlageträger in der Regel zu lange unerkannt, während ein Gentest sofort Klarheit bringt und nahezu 100%ig sicher ist.
Keine noch so sorgfältig geführte Liste macht den Gentest also überflüssig. Diese Listen aber ins Internet zu stellen, halte ich persönlich für die falsche Politik. Wir sind darauf angewiesen, dass auch Labradorbesitzer in anderen Ländern möglichst bald diesen Test durchführen lassen, wenn sie z.B. als Partner für ein Trägertier verwendet werden sollen. Ein „An-den-Pranger-Stellen“ durch eine Veröffentlichung im Netz, z.T. schon bevor der Besitzer selber überhaupt weiß, dass sein Hund ein Träger sein muss, kann leicht seinen wohlgemeinten Zweck verfehlen und das Gegenteil bewirken. Aus diesem Grunde habe ich auch einige Besitzer von Trägertieren persönlich angeschrieben, damit sie die Ergebnisse nicht aus dem Internet oder durch unbeteiligte Personen erfahren müssen. Eine öffentliche Liste dient zwar der Befriedigung der Neugier, kann aber auch leicht dazu führen, einen Zwinger, Trägertiere oder betroffene Tiere schlecht zu reden - ohne zu bedenken, dass diese dennoch großen Wert für unsere Rasse gehabt haben können.
Listen sind also nur solange nützlich und dienen der Transparenz, wie es für das betreffende Merkmal noch keinen Gentest gibt. Für Epilepsie und genetisch bedingte Herzerkrankungen z. B., die wirklichen Probleme unserer Rasse, wären sie von großem Wert. Sobald aber ein direkter Gentest zur Verfügung steht, ist es nur noch von theoretischem, historischem Interesse, welche Tiere Träger, betroffen oder nicht betroffen waren. Züchterisch wichtig ist nur der Istzustand, der Genotyp der Zuchttiere der heutigen Population, damit ab sofort nur noch risikolose Paarungen vorgenommen werden können.
Dabei versteht es sich von selbst, dass ein Zuchtverband die von den Besitzern freiwillig zur Verfügung gestellten Ergebnisse von Gentests in der Datenbank bei den betreffenden Tieren veröffentlichen sollte.
Es liegt also allein in der Verantwortung der Züchter dafür zu sorgen, dass ab sofort keine Zwerge mehr gezüchtet werden. Auf diese Weise werden nach und nach auch die Träger zumindest weniger werden.
Die molekulargenetische Analyse – sinnvoll angewandt - ist meines Erachtens eine großartige Möglichkeit, die heutige Hundezucht positiv zu beeinflussen, ohne uns zu Tode zu selektieren. Unter dieser Voraussetzung ist auch dieser neue Gentest eine Chance, die nicht vertan werden sollte.
Allen, die dieses Projekt durch die Bereitstellung der Blutproben unterstützt haben, möchte ich herzlich danken; insbesondere aber geht mein Dank an Professor Tosso Leeb und Mirjam Frischknecht, deren Arbeit für unsere Rasse eine große Hilfe bedeutet.
Wie versprochen werden alle, die für dieses Projekt bis Ende September 2012 eine Blutprobe ihres Hundes zur Verfügung gestellt haben, das Ergebnis ihres Hundes kostenlos erhalten. Besitzer, die noch kein schriftliches Ergebnis erhalten haben, bitte ich, mir eine kurze E-Mail zu schreiben.
Adresse: hniehof@online.de
Leni Niehof