Field und Mock Trials - kein Buch mit sieben Siegeln
Über die Einladung von Robert Robertson zum Richten des zweiten Mock Trial in Engelskirchen habe ich mich gefreut. Ich schätze Bobbys Art der Hundeausbildung ohne Gewalt. Da ich gern von kompetenten Menschen lerne, bat ich Bobby als Richteranwärter teilnehmen zu dürfen. Um auch den Menschen, die sich mit Trials noch nicht so gut auskennen, diese Art der Prüfung näherzubringen, komme ich dem Wunsch der Sonderleitung nach einem Bericht gern nach.
Nach langer Tradition wird die Leistung von Retrievern im Mutterland Großbritannien auf sogenannten Field Trials überprüft. Um eine solche Prüfung zu verstehen, müssen einige Begriffe und die andere Art des Richtens erklärt werden.
Ein Field Trial ist eine Jagdprüfung am lebenden Wild anlässlich einer Jagd.
Field Trials sind grundsätzlich ein geeignetes Kriterium um Hunde für die Zucht zu selektieren, da die Hunde in dem Bereich geprüft werden, für den sie ursprünglich gezüchtet wurden. Diese Eigenschaften, die den Labrador Retriever auch befähigen, ein anpassungsfähiger Begleit-und Familienhund zu sein, müssen unbedingt erhalten werden. Dennoch darf man nicht vergessen, dass Field Trials mit der jagdlichen Praxis nur entfernt zu tun haben. Ein Wettbewerb beinhaltet immer auch eine sportliche Komponente. So ist es sicher nicht praxisnah, wenn gerade der Hund zum Stück geschickt wird, der davon am weitesten entfernt ist oder der Hund, bevor er zum Stück geschickt wird vom Richter sogar ein ganzes Stück zurückgeführt wird oder ein Hund ausscheidet, weil er den falschen Vogel gebracht hat, obwohl sich an der vom Richter bezeichneten Stelle gar kein Stück Wild befand. Dieses ist aber letztendlich vertretbar, damit alle Komponenten der Retrieverarbeit während dieser Prüfung abgefragt werden können. Solange die Durchführung von Field Trials nicht tierschutzrelevant wird, kann man sie als züchterische Selektion durchaus vertreten. Die Jagdethik darf aber niemals verletzt werden und unnötiges Leiden von verletzten Tieren ist immer zu vermeiden. Im Internationalen Field Trial Reglement der FCI ist niedergelegt, dass der jagdlichen Ethik höchste Priorität eingeräumt werden muss.
Für Deutschland eignet sich diese Form der Prüfung nur bedingt, da es nicht allzu viele Reviere gibt, in denen die Niederwildstrecken so hoch sind, dass für eine Mindestzahl von 10 Hunden genügend Stücke zur Verfügung stehen.
Ich hoffe sehr, dass es gelingen wird, eine für deutsche Verhältnisse geeignete Prüfung anlässlich einer Jagd zu gestalten, auf der eine geringe Anzahl von Hunden am lebenden Wild geprüft werden kann, so wie es in Österreich schon möglich ist.Die in Deutschland leider in vielen Bundesländern wieder erlaubte Prüfung an der lebenden Ente ist mit einer Prüfung während einer wirklichen Jagd nicht zu vergleichen. Hier soll der Hund die Schwimmspur einer gesunden aber flugunfähig gemachten Ente arbeiten.
Gerade Retriever aus Arbeitslinien, die schon bejagt sind und schon viele lebende Enten auf der Jagd apportiert haben, „versagen“ nicht selten in diesem Fach, da sie die mittels Papiermanschette flugunfähig gemachte Ente nicht als geflügelt ansehen. Der Retriever ist in der Tat für die Arbeit nach dem Schuss gezüchtet. Gesundes Wild zu jagen ist nicht seine Aufgabe und sollte ihm nie erlaubt, geschweige denn von ihm gefordert werden.
Das Bewertungssystem für Field Trials im Vereinigten Königreich ist völlig anders als wir es von den deutschen Prüfungen mit vorgeschriebenen Fächern und verschiedenen Leistungsziffern kennen. Es ist Aufgabe der Richter unter jagdlichen Gesichtspunkten den Hund mit der höchsten Leistung an diesem Tage zu finden.
Daher ist die natürliche Veranlagung, Wild zu finden (natural game finding ability) von größter Wichtigkeit.
Im Vereinigten Königreich wird nach den Field Trial Regulations des Kennel Club in verschiedenen Klassen (Puppy, Novice, All Aged und Open) gerichtet, während auf dem Kontinent das Internationale Field Trial Reglement der FCI mit ähnlichen Regeln Gültigkeit hat.
Allgemein gilt, dass immer nur maximal vier Reihenfolgepreise vergeben werden. In Großbritannien können für Hunde, die bis zum Schluss einwandfrei gearbeitet haben aber nicht platziert wurden zusätzlich sogenannte Certificates of Merit (COM) oder anlässlich der IGL Retriever Championship (den britischen Jagdmeisterschaften) Diplomas of Merit (DOM) vergeben werden. Auf dem Kontinent erhalten die Hunde nach FCI-Regeln zusätzlich Bewertungen je nach Anzahl und Qualität der absolvierten Apporte. Nicht selten bleiben aber auch weniger als vier Hunde übrig, die das Field Trial überhaupt bestehen.Wenn ein Hund keinen Fehler macht, erhält er in Abhängigkeit von der Wilddichte bei Field Trials auf dem Kontinent in der Regel Gelegenheit zu mindestens fünf Apporten, die mit A oder A +, A- oder B bewertet werden. Ein „A“ wird i.d.R. für einen normalen, sauberen Apport vergeben, während für ein „A+“ eine wirklich außergewöhnliche Arbeit vorliegen muss. Ein „A-“ beschreibt einen Apport, der besser hätte sein können, während ein „B“ bedeutet, dass der Hund das Stück zwar letztlich gebracht hat, aber im weiteren Verlauf des Trials nicht mehr aufgerufen werden wird.
Jeder, der seinen Hund für Field Trials meldet, sollte um diese harten Regelungen wissen und ertragen können, wenn sein Hund bei Begehen eines Ausschlussfehlers auch schon ausscheiden kann ohne überhaupt etwas apportiert zu haben.Dennoch ist ein Field Trial keine von vornherein ungerechte Prüfung wie vielfach angenommen wird. Da die Richter keinen Einfluss darauf haben, wo und wie Wild auf dieser Jagd fällt, kann der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Apporte natürlich stark variieren. Bei Field Trials wird daher nicht die Schwierigkeit der Apportierarbeit sondern die Qualität der Arbeit beurteilt, d. h. auch einfache Apporte werden mit A beurteilt, wenn sie einwandfrei ausgeführt werden.
Minimalanforderungen für die Meldung sind Standruhe (Steadiness) und sauberes Apportieren in die Hand.
Der Retriever hat mehr oder weniger stark ausgeprägte Qualitäten, die bei der Bewertung im Field Trial Pluspunkte (Credit Points) bringen.
Hierzu gehören: die natürliche Anlage Wild zu finden, gute Nase, die natürliche Anlage zum Merken (Fähigkeit, sich die Fallstellen von Wild zu merken), Stil (Geschwindigkeit und Eleganz) und Initiative beim Suchen, Geschwindigkeit und Effizienz beim Apportieren aus jeder Art von Deckung zu Land und aus dem Wasser, richtiges Halten des Wildes mit weichem Maul ohne aber das eventuell noch lebende Wild entkommen zu lassen, die gute Abgabe des ruhig gehaltenen Wildes mit angehobenem Kopf, die Kontrollierbarkeit bzw. der sogenannte „will to please“, d. h. der Hund arbeitet gerne mit seinem Führer zusammen und nicht für sich, ist gehorsam und lenkbar. Zusätzlich wird auch die Art des Führens beurteilt. Ein „silent handling“, ein ruhiges Führen ohne zu viele laute Kommandos oder lautes anhaltendes Pfeifen wird deutlich bevorzugt. Die Ruhe auf dem Stand und bei der Streife (Walk Up) werden als selbstverständlich vorausgesetzt.Ausschlussfehler (Eliminating Faults) auf einem Field Trial laut KC Reglement sind: Fiepen, Winseln oder Bellen, Einspringen (Hund entfernt sich ohne Erlaubnis vom Fuß des Führers), außer Kontrolle sein (out of control), (lebendes Wild jagen oder Wildspuren verfolgen), Verweigern des Apportierens, Beschädigen von Wild, Nichtannahme des Wassers, Tauschen von Wild, Hartmäuligkeit.Im FCI Reglement werden zusätzlich noch erwähnt: Körperlicher Kontakt mit dem Hund (das Anfassen des Hundes ist erst nach dem Anleinen wieder erlaubt), aggressives Verhalten, Schussscheue.Der Richter muss dem Führer mitteilen, wenn er einen Ausschlussgrund festgestellt hat. Wurde das Wild von einem Hund mit hartem Maul beschädigt, muss auch der zweite Richter das Wild untersuchen. Auch dem Hundeführer muss dann die Gelegenheit gegeben werden, das beanstandete Stück zu überprüfen.
Beim Fiepen reicht es jedoch aus, wenn dieses nur von einem Richter gehört wurde.Schwere Fehler (Major Faults) laut KC Reglement sind: schlechte Fußarbeit, Beunruhigung von Gelände (z. B. anderer Rückweg als Hinweg beim Apportieren), unsachgemäßes nachlässiges Arbeiten, lautes und unsachgemäßes Führen, schlechte Kontrolle über den Hund haben, totes oder verletztes Wild nicht finden, nachlässiges Apportieren und Ausgeben des Wildes (schlechtes Halten, Fallenlassen, langsames Hereinkommen), „Eye Wipe“.
Das FCI-Reglement führt als schwere Fehler zusätzlich noch auf: Unruhe auf dem Stand, die die Aufmerksamkeit des Hundeführers erfordert, langsames Arbeiten mit wenig Initiative (fehlende Arbeitsfreude), schlechte Merkfähigkeit, zu große Abhängigkeit vom Führer, “first dog down“.Bei einem schweren Fehler scheidet der Hund von der weiteren Teilnahme aus und kann nach FCI Regeln maximal noch mit „sehr gut“ beurteilt werden, wenn er zuvor mindestens drei Apporte gut gearbeitet hat.Scheidet der Hund mit weniger als drei Apporten aus ohne dass ein Ausscheidungsgrund vorliegt, erhalten die Hunde die Bewertung „non classee“, nicht klassiert (NC).
Unter einem „Eye Wipe“ versteht man eine vom zuerst geschickten Hund nicht genutzte Chance, Wild zu finden und zu apportieren, wenn dieses Stück anschließend von einem anderen Hund unter gleichen Bedingungen gebracht oder von den Richtern gefunden wird. Wird das Wild an einer Stelle gefunden, die der zuerst geschickte Hund gar nicht abgesucht hat, spricht man von einem „technical eye wipe“.
„First dog down“ bedeutet die vom zuerst und ohne Verzögerung geschickten Hund nicht genutzte Chance, ein verletztes Stück Wild, dessen Fall er beobachten konnte, zu finden. Auch wenn die Richter und später geschickte Hunde dieses Stück nicht finden, scheiden die nachfolgenden Hunde nicht aus, wohl aber der zuerst direkt aus der Linie heraus geschickte Hund. Im Gegensatz zum „Eye Wipe“ hat der erste Hund durch die räumliche und zeitliche Nähe zum Geschehen in aller Regel bessere Bedingungen, das Wild zu finden.
Bei Field Trials wird in Runden („rounds“) gearbeitet. In der ersten Runde gibt es normalerweise zwei Apporte und in der zweiten Runde einen Apport pro Hund. In der 3. Runde kann es nach Entscheidung der Richter und in Abhängigkeit vom Wildvorkommen einen oder zwei Apporte pro Hund geben. In den eventuell nachfolgenden Runden gibt es meist nur noch einen Apport pro Hund.
Bei einem „Walk up“ (entspricht in etwa einer böhmischen Streife) gehen die zwei Richter mit je zwei Hunden unangeleint in der Linie, die niedrigste Nummer jeweils rechts vom Richter. Die Linie bewegt sich solange vorwärts, bis Wild aufsteht und geschossen wird. Wird ein Stück oder auch mehrere getroffen wird auf Anweisung des Richters ein Hund geschickt, um das angegebene Stück zu finden und zu bringen. Die Hunde arbeiten im Wechsel und sobald der rechte Hund die für die Runde erforderliche Anzahl an Apporten absolviert hat, wird er angeleint und der Hundeführer verlässt die Linie. Der bis dato links neben dem Richter positionierte Hund rückt auf die rechte Position, während ein neu in die Linie aufgerufener Hund den freigewordenen Platz auf der linken Seite des Richters einnimmt.
Bei einem „Drive“ (Treiben) werden oft alle Teilnehmer dazu aufgerufen sich nach Anweisung der Richter hinter der Linie der Schützen oder zwischen den Schützen zu positionieren. Die Richter achten darauf, dass die Hunde in der Lage sind das geschossene Wild gut zu sehen. Nach dem Treiben werden, mit Ausnahme der beiden Hunde mit der jeweils niedrigsten Startnummer, die sich links und rechts des Richters positionieren, alle anderen Hunde angeleint. Die Hunde arbeiten auch hier im Wechsel und sobald der rechte Hund die für die Runde erforderliche Anzahl an Apporten absolviert hat, wird er angeleint und der Hundeführer verlässt die Linie. Der bisher links neben dem Richter positionierte Hund rückt auf die rechte Position, während ein neu aufgerufener Hund, der schon im Hintergrund als sogenannter „Back up“ Hund bereitsteht, den freigewordenen Platz auf der linken Seite des Richters einnimmt.
Sowohl beim „Walk up“, als auch beim „Drive“ wechseln die noch verbleibenden Teilnehmer für die zweite Runde die Richtergruppe, so dass nach Beendigung der zweiten Runde jeder Teilnehmer, der bis dahin keinen Fehler begangen hat, von allen Richtern mindestens einmal bewertet wurde.
Fünf Runden mit immer weniger Hunden sind üblich, oft gefolgt von einem Stechen (Run Off), wenn die Hunde gleichwertig gearbeitet haben.Das Arbeitsziel einer kontrollierten Suche - auch unter großer Ablenkung und bei Verleitung durch lebendes Wild - gilt es zu erreichen, damit der Labrador Retriever für die Arbeit nach dem Schuss, für die er gezüchtet wurde auch in Zukunft geeignet bleibt. Dies sollte er gelegentlich auch auf Prüfungen, auf denen möglichst auch die Wildschärfe überprüft werden kann, oder auf Prüfungen mit kaltem Wild (Cold Game Working Test), sowie für Nichtjäger alternativ auch auf Working Tests oder Dummy Trials beweisen können.Ziel eines Dummy oder auch Mock Trials ist es, die jagdliche Situation während eines Field Trials mithilfe von Dummys so authentisch wie möglich nachzustellen. Dabei wird auch nach denselben Richtlinien wie bei einem Field Trial gerichtet. Mock Trials sind eine schöne Gelegenheit, Hunde für den praktischen Jagdeinsatz unter besser zu kontrollierenden Voraussetzungen und ohne den hohen Erregungsfaktor des lebenden Wildes vorzubereiten.
Im Unterschied zu Working Tests werden bei Mock Trials nicht nur Einzelsituationen nachgestellt, sondern der Gesamtablauf einer Jagd. Wenngleich es sich nur um Dummys handelt, werden alle anderen Umstände, wie beispielsweise die Organisation des Ablaufs, die Abgabe der Schüsse mit Flinten und die Bewertung der Apporte, wie bei einem Field Trial gehandhabt. Das Ziel eines gelungenen Mock Trials sollte also sein, alle Arbeiten für Hund, Hundeführer und Richter unvorhersehbar zu gestalten, so dass wie auf der praktischen Jagd keine Situation der anderen gleicht und jeder Apport anders sein kann. Genau diese Details machen Trials ja zu einem so spannenden Erlebnis. Das allererste Dummy Trial, auf dem ich jemals geführt habe, wurde 2005 von Andreas Pözlberger in Österreich in dieser Weise vorzüglich vorbereitet.
Leider ist es aber heute bei den meisten Mock Trials üblich, die Aufgaben ähnlich wie bei einem Working Test für alle Hunde in etwa gleich zu stellen, nur die Art des Richtens entspricht dem bei einem echten Trial.Dummys dienen bei Prüfungen dieser Art als Wildattrappe zur Vorbereitung für „the real thing“, wie die Jagd in Großbritannien manchmal genannt wird. Für nicht jagdlich geführte Retriever sollte in aller Regel kein Tier sein Leben lassen müssen. Dummys bieten hier einen dauerhaften Ersatz für die jagdliche Arbeit. Wünschenswert wäre das Angebot der jagdlichen Prüfungen auch unter Einsatz von Dummys, so wie der DRC es schon einmal für eine kurze Zeit geregelt hatte, denn alle Retriever sind Jagdhunde und müssen das unter züchterischem Aspekt auch bleiben. Die Arbeit mit dem Retriever sollte daher immer aus einer jagdnahen Betrachtungsweise erfolgen, auch die vorbereitende oder auch ausschließliche Arbeit mit dem Dummy.
Zum Schluss noch ein paar Worte zum Mock Trial in Engelskirchen.
Es war wohltuend, dieses gut organisierte Trial mitzuerleben. Die Aufgaben entsprachen sehr den deutschen Jagdgepflogenheiten und wurden allesamt als Treiben durchgeführt. Durch spezielle Aufgabenstellung wurden aber sowohl der Gehorsam (u. a. bei der Fußarbeit) als auch das selbständige Arbeiten ohne Einflussnahme durch den Führer abgefragt. Durch eine Steigerung der Anzahl der Schüsse wurden die Anforderungen an die Steadiness nach und nach erhöht, so wie es tatsächlich am Ende eines langen anstrengenden Treibens oft der Fall ist.
Überall spürte man Bobbys überaus hohe Erfahrung und ganz selbstverständlich verstand er es, alle Arbeiten, die für einen Retriever wichtig sind, in die verschiedenen Runden einzubauen.
Es war schön, von ihm lernen zu dürfen.
August 2013 Niehof