Kupferspeicherkrankheit

Kupferspeicherkrankheit, ein neues Problem des Labrador Retrievers (Niehof 2025)

Die Kupfertoxikose ist eine beim Bedlington Terrier schon lange bekannte erbliche Speicherkrankheit. Eine Mutation im COMMD1-Gen kann beim Bedlington Terrier zu einer Kupfertoxikose führen. Diese Krankheit tritt nun auch beim Labrador Retriever vermehrt auf und gibt Anlass zur Sorge um die Gesundheit dieser Rasse.

Hille Fieten von der Universität Utrecht ist maßgeblich an der Forschung zum erblichen Hintergrund dieser Erkrankung beteiligt. Die Angaben in diesem Artikel beruhen zum größten Teil auf ihrer Beantwortung von Fragen zu diesem Thema.

Kupferspeicherkrankkeit des Labrador Retrievers

Die Kupferspeicherkrankkeit des Labrador Retrievers ist eine erbliche Stoffwechselkrankheit, die zu Leberversagen führen kann. Neben Infektionen und Intoxikationen ist die auch die Akkumulation von Kupfer in der Leber eine Ursache für eine chronische Hepatitis. Die Speicherung des Kupfers ist sowohl von der genetischen Veranlagung für die Krankheit als auch von der Menge des mit der Nahrung aufgenommenen Kupfers abhängig. Neben mehreren genetischen Mutationen spielen auch Umweltfaktoren, z. B. die Ernährung, eine Rolle. Erkrankte Hunde scheiden das mit der Nahrung aufgenommene Kupfer vermindert aus. Die Höhe des Kupferspiegels in der Leber und die Schwere der klinischen Erkrankung hängen also auch von der mit der Nahrung aufgenommenen Kupfermenge ab.

Die Krankheit verursacht in der Regel zunächst keine klinischen Symptome. Meistens tritt sie in einem mittleren Alter von im Durchschnitt 7 Jahren auf.  Zu Beginn der Hepatitis steigt zuerst das Leberenzym ALT im Blut an. Eine Überprüfung der Höhe dieses Enzyms ist also ratsam, auch wenn ein normaler Wert für ALT keine Garantie für einen normalen Kupfergehalt in der Leber ist. Ebenso gibt es für den Anstieg des Enzyms noch andere Ursachen als nur die Kupferspeicherkrankheit. Eine Belastung der Leber durch Medikamente kann die klinische Erkrankung ebenso wie eine Trächtigkeit begünstigen. Hündinnen mit einer oder zwei Kopien der Mutation haben zwar grundsätzlich keine höheren Leberwerte als ihre männlichen Artgenossen, entwickeln aber während der Belastung durch Trächtigkeit und Laktation häufiger klinische Symptome.

Der Verlauf der Leberentzündung ist langsam und unterschiedlich. Unbehandelt führt die Kupferanreicherung bei prädisponierten Labrador Retrievern schließlich zu einer schweren chronischen Hepatitis mit irreparablen Leberschäden und Leberzirrhose, oft mit einem tödlichen Ausgang. Neben Gelbsucht, Bauchwassersucht, Anorexie und Erbrechen kann auch eine Hepato-Enzephalopathie (Funktionsstörung im zentralen Nervensystem) ein Symptom für das Versagen der Leber sein.

Eine frühe Diagnose und Therapie ermöglichen jedoch bis zu einem gewissen Grad die Regeneration der Leber, sodass die betroffenen Hunde in vielen Fällen eine normale Lebenserwartung haben können. Zink hemmt die Aufnahme von Kupfer aus dem Magendarmtrakt. Die Anpassung der Ernährung mit wenig Kupfer und viel Zink wirkt sich positiv auf den Kupfergehalt in der Leber aus. Bei vielen Hunden kann die Kupferkonzentration allein mit einer kupferreduzierten Leberdiät reduziert oder sogar normalisiert werden. Die Ernährungsanpassung und eine zusätzliche Therapie mit Medikamenten, die die Kupferausscheidung erhöhen, bieten zu Beginn der Krankheit gute Heilungschancen, bei fortgeschrittener Erkrankung sinken die Chancen auf Heilung.

Beim Labrador Retriever kann auch eine immunologische Form der Hepatitis ohne Beteiligung von Kupfer auftreten. Eine genaue Diagnose ist nur durch die histologische Untersuchung einer Leberbiopsie möglich. Die aus der Leber entnommene Probe wird dabei auf den Gehalt an Kupfer und den Grad der Entzündung untersucht. Die von der Universität Utrecht untersuchten Proben von Labrador Retrievern (Familienmitglieder von betroffenen Hunden) erbrachten bei ca. 50% einen zu hohen Kupfergehalt in der Leber. Nicht alle Hunde von denen Leberbiopsien untersucht wurden, zeigten allerdings klinische Symptome einer Kupfertoxikose oder hatten eine Leberzirrhose.

Beteiligte Gene beim Menschen:  Beim Menschen wird der Kupferstoffwechsel durch Mutationen in den Genen ATP7A und ATP7B, die für den Kupfertransport codieren, gestört. Eine Mutation in ATPA7A führt zu Morbus Menke, einer tödlichen neurodegenerativen Störung, die durch Kupfermangel verursacht wird. Diese Kupfermangel- Erkrankung des Menschen wird X-chromosomal vererbt. Mutationen in ATP7B hingegen führen zur Wilson-Krankheit mit einer Kupferanreicherung in der Leber.

Beteiligte Gene beim Labrador Retriever: Die Kupfertoxikose des Labrador Retrievers ähnelt der Wilson Krankheit des Menschen. Sie konnte auch beim Labrador Retriever als eine ATP7B-assoziierte Krankheit identifiziert werden. Daher dient der Labrador Retriever als Modell für Morbus Wilson. Eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) bei 235 Labrador Retrievern identifizierte zwei Chromosomenregionen mit ATP7A und ATP7B, die mit Schwankungen des Kupferspiegels in der Leber in Verbindung gebracht werden konnten. DNA-Analysen zeigten Mutationen in beiden Genen. Die Aminosäuresubstitution ATP7B:p.Arg1453Gln wurde mit einer Kupferakkumulation assoziiert und als kausales Gen für Kupfertoxikose identifiziert. Die Mutation der Aminosäuresubstitution ATP7A:p.Thr327Ile hingegen schützt teilweise vor der Kupferakkumulation. Diese Mutation wird mit niedrigeren Kupferwerten assoziiert und schwächt die Anreicherung von Kupfer in der Leber ab.  Der Schutz ist allerdings nur klein und bei beiden Geschlechtern unvollkommen, bei Rüden aber effektiver als bei Hündinnen. Rüden können aufgrund der x-chromosomalen Vererbung nur heterozygot für dieses Gen sein, können also nur eine Kopie dieser Mutation haben. Für die Mutation heterozygote Hündinnen jedoch können aufgrund des Vorhandenseins einer weiteren normalen Kopie des ATP7A-Gens, die keine Schutzfunktion hat, ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Kupfertoxikose haben als männliche Träger. Für die Mutation homozygote Hündinnen mit zwei Kopien der teilweise schützenden Funktion sind besser geschützt als solche, die nur eine Kopie der ATP7A-Mutation geerbt haben. Darüber hinaus neigen Rüden bereits mit einer Kopie der ATP7A-Mutation dazu, weniger Kupfer zu akkumulieren, wenn sie die ATP7B-Mutation geerbt haben, als ihre weiblichen Artgenossen. Dieser teilweise schützende Effekt wurde bisher nur bei Labrador Retrievern mit ein oder zwei Kopien der ATP7B-Variante gefunden.

Mutationen im COMMD1-Gen spielen bei der Ätiologie der Kupfer-assoziierten Hepatitis beim Labrador Retriever keine wesentliche Rolle wie beim Bedlington Terrier. Dies zeigt, dass die kupferassoziierte Hepatitis bei verschiedenen Hunderassen einen unterschiedlichen genetischen Ursprung hat. Kürzlich wurde eine weitere Mutation beim Labrador Retriever im RETN-Gen gefunden, die ebenso wie die Mutation im ATP7A-Gen mit niedrigeren Kupferkonzentrationen in der Leber assoziiert war. Auch die Mutation in RETN kann den Kupferspiegel abschwächen und dadurch das Risiko und die Schwere der Krankheit bei Vorliegen einer ATP7B-Mutation verringern. Die Modifikatoren der Kupfertoxikose RETN und ATP7A wirken beide unabhängig voneinander. Die Funktion des RETN-Gens bei der Entwicklung der kupferassoziierten Hepatitis ist allerdings noch nicht vollkommen geklärt.

Vererbung der Kupfertoxikose nach heutigem Wissensstand

Die Mutation in ATP7B wird additiv vererbt. Bereits eine Kopie der Mutation erhöht das Risiko einer Kupfertoxikose, zwei Kopien der Mutation erhöhen das Risiko einer Kupfertoxikose noch mehr. Schon heterozygote Hunde mit nur einem mutierten Gen ATP7B (n/CT) und ohne Mutation in ATP7A haben ein erhöhtes Risiko für eine Kupfertoxikose. Für die Mutation im Risiko-Gen homozygote (CT/CT) Hunde ist das Risiko deutlich höher.  Labrador Retriever, die homozygot für die Mutation im Risiko-Gen ATP7B sind (ohne Mutation im teilweise schützenden Gen ATP7A) entwickeln am häufigsten eine Kupfertoxikose. Von Hunden mit diesem Genotyp (CT/CT und X/Y oder X/X) erkranken nach Angaben der NLV (niederländischer Labradorverein) ca. 80 % der untersuchten Hunde. Ein Risikoergebnis bedeutet dennoch nicht zwangsläufig, dass jeder genetisch betroffene Hund im Laufe seines Lebens auch tatsächlich eine Kupfertoxikose entwickeln wird.  Ebenso können auch Hunde die Kupferspeicherkrankheit entwickeln, ohne die Mutation in ATP7B zu haben, sie erkranken jedoch viel seltener.  Auch können Hunde ohne diese Mutation erhöhte Kupferwerten in der Leber haben; diese Hunde können andere (noch unbekannte) Mutationen haben.

Genotyp ATP7B:

Wildtyp, normal, keine CT: 2 Kopien der normalen Variante des Gens, keine Mutation (n/n)

Heterozygot (Risiko für CT): 1 Kopie der normalen Variante, 1 Kopie der Mutation (n/CT)

Homozygot (hohes Risiko für CT): 2 Kopien der Mutation (CT/CT)

Die Mutation in ATP7A wirkt sich beim Hund im Gegensatz zum Menschen nur sehr geringfügig aus. Die Kupferaufnahme im Darm wird durch die Mutation nur geringfügig gehemmt, so dass es beim Hund nicht zu Krankheiten wie Morbus Menke kommt.  Im Allgemeinen hat die ATP7A-Genmutation mit einer oder zwei Kopien weder positive noch negative Auswirkungen, auch dann nicht, wenn ein Labrador Retriever keine Mutation im ATP7B-Gen hat. Eine sehr kupferarme Fütterung kann allerdings auch bei Hunden, die die Mutation in ATP7A, aber keine in ATP7B haben, das Risiko eines Kupfermangels erhöhen.  Das ATP7A Gen liegt beim Labrador wie beim Menschen auf dem X-Chromosom. Hündinnen (XX) können homozygot oder heterozygot für die Mutation oder normal (Wildtyp) sein. Für die Mutation homozygote Hunde haben den niedrigsten Kupferwert; heterozygote Hunde können ebenfalls einen niedrigeren Kupferwert haben (ebenfalls abhängig vom ATP7B-Genotyp und der Ernährung). Bei Hündinnen ist die Verringerung des eingelagerten Kupfers nur messbar, wenn die Mutation in ATP7A auf beiden Allelen vorliegt.

Rüden (XY) können nur eine Kopie des mutierten ATP7A Gens haben und benötigen für einen reduzierten Kupfergehalt lediglich eine Kopie des mutierten Gens (Xmutiert/Y).

Genotyp ATP7A, Rüde:

Wildtyp: 1 Kopie der normalen Variante des Gens, keine Mutation (X/Y)

Mutant: 1 Kopie der Mutation (Xmutiert/Y)

Genotyp ATP7A, Hündin:

Wildtyp, normal: 2 Kopien der normalen Variante des Gens, keine Mutation (X/X)

Heterozygot für die Mutation: 1 Kopie der normalen Variante, 1 Kopie der Mutation, (X/Xmutiert)

Homozygot für die Mutation: 2 Kopien der Mutation (Xmutiert/Xmutiert)

 

Die Mutationen sind nicht dominant oder rezessiv, sondern additiv (mehr Mutationen, höhere Wirkung). Sie erklären zusammen 12,5 % der genetischen Varianz. Mehrere Faktoren sind an der Krankheitsentstehung beteiligt. Es handelt sich also um eine komplexe, genetische Erkrankung, bei der wahrscheinlich noch weitere Mutationen und auch die Ernährung eine Rolle spielen.

Häufigkeiten der Allele in Labradorpopulationen

Beide Mutationen kommen in den Labrador-Populationen recht häufig vor. Laboklin hat bereits weit über 500 Labrador Retriever aus 15 Ländern getestet und folgende Zahlen zur Verfügung gestellt. Für den Risikofaktor, die Mutation im ATP7B Gen, wurden 55% der Tiere frei getestet, 40% heterozygot und 5% homozygot. Die modifizierende Variante im ATP7A Gen wurde bei 47% der Tiere frei getestet, bei 28 heterozygot und bei 25% homozygot. Bei den ATP7B frei getesteten Labrador Retrievern teilt sich laut Laboklin die ATP7A Variante wie folgt auf: 44% frei, 29% heterozygot und 27% homozygot; bei den ATP7B heterozygoten Labrador Retrievern sind die Zahlen für die ATP7A Mutation ähnlich: 50% frei, 27% heterozygot und 23% homozygot.

Die NLV gibt folgende Zahlen an: 25-30% der getesteten Hunde sind Träger für das Risiko-Gen ATP7B. Einige von diesen sind zusätzlich auch Anlageträger oder betroffen für das Schutzgen ATP7A. Der Prozentsatz der Hunde, die bei genetischer Betroffenheit mit dem Risiko-Gen ATP7B (ohne Mutation im teilweise schützenden Gen ATP7A) erkranken, wird mit ca. 80 % angegeben.

In einer Studie aus Japan werden folgende Zahlen für 253 getestete Labrador Retriever angegeben:

ATP7B heterozygot: ca. 17%

ATP7B homozygot 2%

ATP7A heterozygot: ca. 37% (von 158 weiblichen Labradors)

ATP7A heterozygot: 26 % (von 95 männlichen Labradors)

ATP7A homozygot: 11% (von 158 weiblichen Labradors)

In den USA wurde die Häufigkeit der kodierenden Varianten in den Genen ATP7A, ATP7B und RETN in einer Population von 90 Labrador Retrievern überprüft. Auch aus dieser Studie ergibt sich, dass die ATP7B-Variante bei der Pathogenese der Kupfertoxikose des Labrador Retrievers eine wichtige Rolle spielt.

Die Forschungen zu dieser Krankheit und ihrer Vererbung sind noch nicht abgeschlossen; es wird weiter nach neuen Mutationen gesucht wird, die an der Kupfertoxikose beteiligt sind.

Bedeutung für die Zucht

Die Häufigkeit des Vorkommens des kausalen Gens von (ca. 25-30%) bis hin zu 45 % bei den untersuchten Labrador Retrievern zeigt die Notwendigkeit, diese zum Teil tödlich verlaufende Krankheit bei Paarungen zu berücksichtigen. Für die zwei beim Labrador Retriever bisher bekanntesten Gene ATP7B und ATP7A gibt es bereits einen Gentest und auch auf das RETN-Gen kann der Hund getestet werden. Besonders die Mutation im kausalen Gen ATP7B muss bei Zuchtentscheidungen unbedingt berücksichtigt werden. Bis zur genaueren Abklärung des genetischen Hintergrundes sollten allerdings vorläufig sowohl hetero- als auch homozygote Tiere für die Zucht erhalten bleiben, um die genetische Vielfalt nicht noch mehr zu gefährden.

Betroffene und Träger des mutierten Gens sollten auf keinen Fall miteinander gepaart werden. Klinisch gesunde, für das ATP7B-Gen homo- als auch heterozygote Labrador Retriever sollten nur mit ATP7B-freien Hunden verpaart werden. Durch überlegte Paarungen mit getesteten Hunden lässt sich das Vorkommen des kausalen Gens in der Population langsam zurückzudrängen. Auch die Untersuchung auf die Mutation im ATP7A Gen ist wichtig für die Entscheidung, welche Art von Futter (Menge an Kupfer und Zink) zu empfehlen ist. Besonders bei homozygoten weiblichen Tieren ist die Zucht gut zu überdenken, da mit jeder weiteren Trächtigkeit die Gefahr zu erkranken, größer wird. Eine Blutuntersuchung (Leberprofil und Kupfer – und Zinkwerte) bei Zuchthündinnen mit der Mutation ist vor dem Decken ratsam und bei Bedarf die Ernährung anzupassen.

Für die deutsche Labradorpopulation müsste im ersten Schritt des Phasenprogramms des VDH die Erfassung der Häufigkeit der Mutationen erfolgen. Danach müsste über ein geeignetes Programm zur Bekämpfung der Krankheit entschieden werden. Schon jetzt kann der Gentest bei der Paarungsplanung helfen und zusammen mit einer Ernährungsanamnese für eine Zuchtberatung genutzt werden. Daher ist an die Eigenverantwortlichkeit der Züchter zu appellieren, den Gentest auf freiwilliger Basis, zumindest für die Zuchttiere, zu veranlassen.