Die Tierärztin, die Labrador Retriever „vom Keien Fenn“- Züchterin, ein sehr erfahrener Mensch…
In der Retriever Welt ist „LENI'“ein Begriff.
Wir trafen uns mit Dr. Helena Niehof-Oellers in Düsseldorf zu einem Interview:
Wie und wann hat bei Dir die Leidenschaft zum Labrador Retriever angefangen? Und warum gerade Labrador?
In meinem Elternhaus gab es immer Tiere, darunter auch zwei Hunde. Schon als Kind wünschte ich mir sehnlichst einen eigenen Hund, mit dem ich arbeiten und züchten wollte. Nachdem das freiwillige Belegen von Vorlesungen über Wildbiologie mit dem Bestehen der Jägerprüfung endete, lag die Entscheidung für einen Jagdhund nah. Ich stellte es mir schön vor, mit meinem Hund in seinem ureigenen Element zu arbeiten. Meine Kriterien für einen Hund standen von Anfang an fest: Es sollte kein kleiner Hund sein und ein pflegeleichter, also kein langhaariger. Das Wichtigste: Ein kupierter Hund kam für mich nicht in Frage. Schon damals war es mir zuwider, den Hund eines wichtigen Ausdrucksmittels zu berauben. So blieb nur der Labrador Retriever übrig.
Der erste Labrador Retriever, den ich dann sah, entsprach aber überhaupt nicht meiner Idealvorstellung, die ich von einem Hund hatte. Er war zu kurz auf den Läufen und recht kompakt, so dass ich wieder schwankte. Dann las ich das Buch von P.R.A. Moxon über die englische Jagdhundeführung. In diesem Buch war das Bild eines Labradors aus Field Trial Linien abgebildet, schräg von hinten aufgenommen. Ich sah meinen Traumhund vor mir und mein Entschluss stand fest. In Deutschland hatte die Zucht gerade erst begonnen; in der Zeit von 1965 bis 1970 waren bisher lediglich 9 Würfe innerhalb des VDH gefallen. Ich verfolgte mein Ziel intensiv und endlich konnte ich nach einem Jahr der Suche meine erste Hündin aus England holen.
Wurde dein Interesse an der Retrieverarbeit durch einen bestimmten Hund geweckt?
Nein, ich habe von Anfang an mit meinen Hunden arbeiten wollen. Schon meine erste Hündin habe ich erfolgreich auf den wenigen damals möglichen jagdlichen Prüfungen geführt.
Du bist von Beruf Tierärztin, in der freien Zeit widmest du dich der Labrador Zucht, du bildest deine Hunde aus, stellst sie bei Prüfungen vor. Kann man in so einem Leben eigentlich Beruf von der freien Zeit trennen? Oder tut man es bewusst gar nicht?
Das ist zwar nicht immer einfach, aber machbar und auch notwendig. Dennoch bin ich in Notfällen für meine Klientel immer ansprechbar. Viel schwerer war es für mich zu lernen, mich durch die vielfältigen Aufgaben und Ämter (u. a. insgesamt 21 Jahre Tätigkeiten als Zuchtwart und später Mitglied der Zuchtkommission), die ich im Interesse unserer Rasse für den DRC wahrgenommen habe, nicht zu sehr vereinnahmen zu lassen.
Was ist für dich bei der Ausbildung am wichtigsten, was ist dir persönlich nicht so wichtig?
Bei der Ausbildung versuche ich immer zu berücksichtigen, dass wir Jagdhunde züchten. Die langjährige Zucht auf die jagdlichen Eigenschaften befähigen den Labrador, heute auch in vielen anderen Gebieten tätig zu werden. Auch wenn wir von unseren Hochleistungshunden einen sehr guten Gehorsam verlangen müssen, so erwarte ich von einem brauchbaren Jagdhund in bestimmten Situationen dennoch Selbstständigkeit, die ich dem Hund auf keinen Fall abtrainieren möchte.
Wenn wir mit unseren Hunden zusammenleben ohne sie zu vermenschlichen und ihnen Regeln geben, können wir sie täglich fordern ohne sie zu überfordern. Die Ausbildung wird dadurch erleichtert und beide Teile lernen ganz nebenbei, den anderen zu verstehen und zu respektieren. Wichtig ist mir auch, jeden Hund individuell auszubilden, mit den für ihn passenden Methoden und der Zeit, die gerade dieser Hund benötigt, um klar im Kopf zu bleiben. Auch wenn der Hund sich an die Lebensumstände seines Menschen anpassen muss, so hat dieser doch seinen Verstand (hoffentlich), den er dafür einsetzen sollte, aus seinem Hund das Beste herauszuholen.
Warum hast du angefangen zu züchten?
Hundezucht und Arbeit mit dem Hund waren immer schon mein Traum und nicht zu trennen von meinem Wunsch nach einem eigenen Hund. Damals hatte ich keine Vorstellung davon, wie schwierig Hundezucht wirklich ist. Heute kann ich sagen, dass diese eine sehr spannende Herausforderung ist. Oft weiß man erst Jahre später, ob die Überlegungen, die man sich zu einer bestimmten Paarung gemacht hatte, in Erfüllung gegangen sind oder vielleicht auch nicht oder nicht immer in jeder Hinsicht. Leider hat sich im Laufe der mehr als 40 Jahre, die ich die Rasse kenne, nicht nur das Aussehen sondern auch das Wesen unserer Hunde verändert.
Ich halte es für eine schöne Aufgabe, die wunderbaren Eigenschaften unserer Rasse zu erhalten, damit wir auch in Zukunft davon profitieren können, sei es als Jagd-, Rettungs-, Rauschgiftspürhund oder als Familienbegleithund mit anderen Aufgaben.
Was macht für dich eine gute Zuchthündin aus?
Eine gute Zuchthündin erfüllt nicht nur selber die Anforderungen, die ich an die Rasse habe in hohem Maße, sondern gibt ihre positiven Eigenschaften auch an viele ihrer Nachkommen weiter.
Wonach wählst du den passenden Deckrüden?
Meine Zuchtziele habe ich schon bei der Neufassung der Zuchtbestimmungen des DRC kurz nach meiner Wahl zum Zuchtwart im Jahr 1975 formuliert. Der Text ist bis heute so erhalten geblieben und auch meine Zuchtziele sind unverändert.
Da wir mit unseren Hunden zusammenleben, ist das Wesen für mich immer noch am wichtigsten. Gesundheit und Leistung gehören zusammen. Und selbstverständlich soll ein Labrador aussehen wie ein Labrador. Der moderne Ausstellungstyp hat sich zu meinem Leidwesen in vielen Teilen vom ursprünglichen Typ des Labradors, den ich nach wie vor zu erhalten versuche, entfernt.
Ich würde keinen Rüden benutzen, der nicht meinen persönlichen Kriterien standhielte, auch wenn ich bei dem einen oder anderen Detail imstande sein muss, Abstriche zu machen, denn den perfekten Hund gibt es glücklicherweise nicht.
Gibt es einen bestimmten Labrador, der sowohl Dein Berufs- als auch Hobby-Leben deutlich beeinflusst hat?
Mein Berufsleben nicht, aber mein Hobby, die Arbeit mit und die Zucht von Labrador Retrievern ist durch Billy – F.T. Ch. Tibea Tosh – beeinflusst worden.
Gibt es etwas, was dich als Tierärztin und Labrador Züchterin immer wieder im Bereich Gesundheit zum Nachdenken bringt? Sind es mehr positive Sachen oder mehr negative?
Unser Kenntnisstand über erbliche Krankheiten nimmt infolge moderner Untersuchungsverfahren laufend zu.
Bei einem Teil der Züchter vermisse ich immer noch die Bereitschaft, auf freiwilliger Basis noch zusätzliche Untersuchungen durchführen zu lassen – auch wenn sie vom Verein nicht gefordert werden. Bereits vorliegende Ergebnisse nicht öffentlich zu machen und wissentlich zu riskieren, dass kranke Hunde gezeugt werden, halte ich für tierschutzrelevant. Hunde sind keine Wegwerfware. Züchter sollten bereit sein, alles dafür zu tun, dass heute schon bestehende Probleme (ich denke hier u. a. an genetisch bedingte Herzerkrankungen) nicht die Zukunft unserer Rasse gefährden.
Ich denke, dass die moderne Rassehundezucht, in Zukunft noch sehr große Probleme mit sich bringen wird und weitere erbliche Krankheiten unseren Hunden das Leben erschweren werden, da der Genpool unter den heutigen Bedingungen fast zwangsläufig weiter verarmen wird.
Gesundheitsergebnisse, so wichtig sie auch sind, dürfen meiner Meinung nach nie isoliert gesehen werden, sondern immer im Zusammenhang mit der Rasse und deren Gesamtsituation. Meines Erachtens ist es gefährlich und zuchtschädigend, zu viel gleichzeitig zu wollen und bei schmaler Zuchtbasis zu strenge Zuchtbestimmungen zu haben, die viele Hunde von der Zucht ausschließen. Ich denke da auch an unsinnige Zuchtbestimmungen, die die Zuchtzulassung eines Rüden an eine Fortbildung seines Besitzers knüpfen, so wünschenswert Fortbildungen auch sein mögen. Das ist eine Behinderung der Zucht, denn durch diese Bestimmung gehen sicher etliche Rüden der Zucht verloren, ganz abgesehen davon, dass auch von den zur Zucht zugelassenen nur ein Bruchteil wirklich in die Zucht gelangt.
Unter Gesundheit verstehe ich heute daher nicht mehr unbedingt nur das Vorliegen von geforderten röntgenologischen oder ophthalmologischen Befunden. Einmal, weil diese Befunde z.T. auch subjektiven Bewertungskriterien unterliegen und Fehldiagnosen vorkommen, zum anderen auch, weil ein Teil dieser Merkmale für unsere Hunde keinen Krankheitswert hat, solange sie diesen keine Schmerzen oder sonstigen Probleme bereiten.
Nach wie vor sehe ich die Molekularbiologie als große Chance für die Zucht, weil diese uns z. T. schon heute erlaubt, im Hinblick auf bestimmte Merkmale phänotypisch gesunde Hunde zu züchten ohne unseren Genpool weiter einzuengen. Ich setze all meine Hoffnung auf die Entwicklung weiterer DNA-Tests.
Was hat sich deiner Meinung nach in den letzten Jahren geändert – in der Ausbildung, in der Zucht, im menschlichen Umgang mit Hunden? Zum positiven, aber auch zum Negativen…
Aussehen und Wesen vieler Labradors haben sich seit 1970 durch einseitige Zucht negativ verändert. Ich glaube nicht, dass sich die Menschen sehr geändert haben, es gibt nur sehr viel mehr Retriever. Die Ansprüche an unsere Hunde auf den Prüfungen sind sicher enorm gestiegen. Das mag dazu beitragen, dass mancher die Arbeit mit dem Hund nicht nur ernst nimmt, sondern bier-ernst… Positiv ist, dass heute die Menschen – auch bedingt durch Gesetze und die Enge der Großstädte – eher bereit sind, ihre Hunde auszubilden und dafür Hilfe in Anspruch zu nehmen. Negativ ist, dass es dafür zwar sehr viele Hundeschulen und Trainer gibt, diese aber oft selber keine qualifizierte Ausbildung besitzen. Und es werden nicht nur richtige Lehrinhalte vermittelt.
Gibt es etwas, was du dir für die Zukunft wünschst?
Ich habe viele Wünsche, das würde den Rahmen sprengen.
Um nur einige wenige zu nennen:
– Ernsthafte Beachtung des § 11 b des Tierschutzgesetzes, gemeinsame Übernahme der Verantwortung durch Züchter, Richter und Käufer für die oft gesundheitsschädigende Veränderung von Rassehunden durch Übertreibungen in der Zucht, die manchen Hunden ein Leben ohne Leiden unmöglich machen.
– Erhalt der natürlichen Fortpflanzungsfähigkeit (Deckakt und Geburt) für alle Rassehunde.
– Nach Geburtsjahrgängen getrennte auswertbare Statistiken der vorliegenden Gesundheitsergebnisse, um den Erfolg, Misserfolg oder die Stagnation der benutzten Zuchtstrategien zu überprüfen.
– Vielfalt beim Einsatz der Deckrüden.
– Akzeptanz des ursprünglichen Typs des Labradors durch unsere Zuchtrichter.
Danke für das Interview, verrätst du uns zum Schluss dein Geheimnis für Erfolg?
Ein Geheimnis gibt es nicht.
Hunde sind keine Ware, keine Sportgeräte und auch keine Gebärmaschinen.
Wir sind lebenslänglich für die von uns gezüchteten Hunde ansprechbar. Wir können Interessenten für einen Welpen oft motivieren und haben aus ihnen schon oft engagierte Züchter und / oder Hundeführer gemacht, die das Beste aus ihren Hunden herausholen.
Den Erfolg unserer Hunde haben wir nicht zuletzt auch dem Engagement der neuen Besitzer zu verdanken.
Fragen: Christiane Stricker, Jarka Svenka
Fotos: webPure
Text-Korrekturen: Maike Böhm
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© September 2011